Raum & Vision

Therapeut*innen erzählen über ihre Vision und die Räumlichkeiten des Therapiezentrums Gersthof:


Isaias Costa:

Was ist das Therapiezentrum Gersthof?

Diese Frage begleitet mich seit 2002, als ein paar KollegInnen sich bei uns in der Gentzgasse zusammengesetzt haben, um sich über die Gründung einer neuen Gemeinschaftspraxis auszutauschen. Wir hatten damals die unterschiedlichsten Bilder und haben uns die Zeit nicht genommen, diese zuerst zu klären und zu vereinheitlichen, sondern haben gleich mit dem Aufbau der Praxis begonnen. Der Raum mit seinem Licht und seiner Erdung hat uns inspiriert, die Selbstregulation hat uns den Weg gezeigt. In der Zwischenzeit sind wir sehr gewachsen, die Erwartungen mancher haben sich verwirklicht, andere sind eher enttäuscht. Ich möchte hier also meine ganz persönliche Vision des Therapiezentrums Gersthof darstellen.


Mein Standpunkt

Ich beginne mit einer Darstellung von dem Standpunkt, von dem aus ich persönlich das TZG mitgestalte.
In meiner Kindheit habe ich viele persönliche Erfahrungen mit Bedürftigkeit, Schmerz und Elend gemacht. Ich war das vorletzte von 9 Kindern und mein Vater musste mit dem Gehalt eines Journalisten für unsere Familie und noch für die Familien seiner Geschwister und der meiner Mutter aufkommen. Ich kann mich noch an meine Mutter erinnern, wie sie unsere Schuluniformen selbst genäht hat, denn das Geld war nicht genug, um sie fertig zu kaufen. Wir waren nicht reich, aber das Elend, in dem Straßenkinder und ein Großteil der Bevölkerung Brasiliens – eigentlich der ganzen Erde – leben müssen, befand sich unmittelbar vor meiner Haustür. Als junger Student fühlte ich mich schuldig und überfordert, wollte die Welt durch politische Bewegungen retten und wurde meiner Ohnmacht schnell bewusst. Diese Eindrücke waren so stark, dass ich zunächst zu einem sicheren Ort flüchten musste. Ich habe das Glück gehabt, diesen Ort auch zu finden, und zwar hier in Wien.
Nach einem langen Selbsterfahrungsprozess konnte ich den Schmerz und die Schutzmechanismen meiner Kindheit integrieren und in wertvolle Ressourcen für meine Arbeit verwandeln. Zusammen mit einer breiten psychotherapeutische Ausbildung brachten sie mich in die Lage, die Verantwortung wahrzunehmen, die meine Kindheit von mir fordert: effektiv für Heilung in unserer Welt beizutragen. Das findet unter anderen im Therapiezentrum Gersthof statt.


Das Therapiezentrum Gersthof

Das Gesundheitskonzept

  • Ganzheit
  • Vielfalt
  • Aus dem Trauma, hin zur Ressource


Das Unternehmenskonzept

  • Der Boden: gemeinsame Nutzung dieser wunderschönen Räumlichkeiten
  • Die wirtschaftliche Basis: selbständige private Praxen

In meinem Bild ist das Therapiezentrum gleich dem Boden, wo viele unterschiedliche Pflanzen selbständig wachsen können. Sie befruchten sich gegenseitig und tragen für eine gesündere Umwelt bei. Die Mitbenutzerinnen dieser wunderschönen Wohnung mit einer Gesamtfläche von 305m² arbeiten hier selbständig. Jede ist für ihre Praxis betriebswirtschaftlich und fachlich 100% verantwortlich. Es sind Professionistinnen aus verschiedenen Bereiche des Gesundheitswesens, wobei das Wort Gesundheit sehr breit aufgefasst wird: darin inkludiert ist alles, was einen Mensch gesund macht: Medizin, Massage, Physiotherapie, Sport, Tanzen, Psychotherapie, Beratung, Coaching, Meditation, Fasten, Feste, Kreativität, Spiritualität… die Liste ist endlos aber nicht willkürlich.

Denn wir haben doch ein gemeinsames Menschenbild: wir sehen die Person als eine Ganzheit, die in funktioneller Einheit mit ihrer Umwelt lebt. Jeder von uns arbeitet mit beschränkten Techniken mit einer unbeschränkten Person und sieht daher an der Kollegin nebenan eine Chance für die Klientin und nicht eine Konkurrentin für sich selbst. Der integrative Element ist die Klientin: sie weißt, was ihr gut tut. Auf dem Boden vom Therapiezentrum wachsen über die Einzelpraxen hinaus größere gemeinsame Projekte, wie das Sandkastenarbeit oder Authentic Movement. Die Größe unseres Therapiezentrums bietet also zusätzlich die Möglichkeit, die Klientin mit einem Angebot zu versorgen, das über den Rahmen einer Einzelpraxis weit hinausgeht. Die Klient*in kann eine sehr intensive Maßnahme für ihre Gesundheit ergreifen, ohne aus ihrem vertrauten Milieu ausgerissen werden zu müssen.


Nicolas Ehrschwendner:

Als ich im April 2021 für mein Vorstellungsgespräch zum Praktikum das erste mal die Räumlichkeiten des Therapiezentrums Gersthof betrat, fühlte ich mich sofort wohl und wie zu Hause. Altbauten sprachen mich schon immer an, die hohen Räume, die knarrigen Böden, die wunderbare Lichtdurchflutung. Und nicht nur ich schätze die angenehme Atmosphäre der Therapieräume, sondern auch meine Klient*innen. Und beides ist wichtig, denn für eine gute Therapie sollte der Ort sowohl für die Therapeut*innen als auch Klient*innen sowohl Offenheit als auch Sicherheit bieten. Und das können die Räume im TZG beides.

Meine Vision in der Anfangszeit im Therapiezentrum Gersthof war es, eine Vätergruppe anzubieten, die einen offenen, authentischen, ehrlichen und intensiven Austausch zwischen Vätern und Menschen in einer Vaterrolle ermöglicht. Und es freut mich besonders, das die Vätergruppe mittlerweile ein fixer Bestandteil im TZG geworden ist.

Der Austausch zwischen den Therapeut*innen im TZG ist sehr bereichernd. Die hier angebotenen unterschiedlichen Therapien und insbesondere die Vielfalt an psychotherapeutischen Methoden beleben und erweitern den eigenen Horizont. Den Fachlichen Austausch, die Supervisionen und Intervisionen oder einfach das gesellige Beisamensitzen beim Heurigen möchte ich nicht mehr missen. Es ist eine große Bereicherung für mich, im Therapiezentrum Gersthof mein Praktikum für meine Psychotherapieausbildung absolvieren zu dürfen und auch hier mit den unterschiedlichsten Klient*innen zu arbeiten. Vielen Dank TZG!